november 1999

Markus Grüner
titel

One Nation Under A Groove

Über die HipHop-Community

Der Begriff »Community« ist ein zentrales Element im HipHop. Eine Gemeinschaft zu sein und als verbindendes Element dieser Gemeinschaft eine eigene Kultur zu praktizieren, das klingt logisch, das funktioniert, möchte man meinen, ist sogar etwas Erstrebenswertes. In unzähligen Interviews mit Rappern, DJs usw. wird von der »HipHop-Community« als zentrales Bindeglied der HipHop-Culture gesprochen. Um dies zu verstehen ist es notwendig die besonderen Charakteristika dieser Culture in ihren ersten Jahren zu begreifen: Der Begriff HipHop beinhaltet die Ausdrucksformen Rap, Graffiti, Breakdance und DJing. Spezielle Rahmenbedingungen haben in einigen Stadtteilen in New York der 70er Jahre das Zusammentreffen dieser Elemente unter dem Begriff des HipHop ermöglicht:

a) HipHop ist eine urbane Kultur. Das Ghetto als Ausgangspunkt hatte in den Siebzigern mit dem Stadtteil Bronx eine neue Dimension an Armut, Rassismus, Ausgrenzung, Kriminalität und Elend erlangt. Diese Isolation war für die von der Außenwelt relativ autonome Entwicklung von HipHop enorm wichtig. So konnten unabhängig von Marketingstrategien Codes und Spielregeln entwickelt werden, die den Schritt von der bloßen künstlerischen Ausdrucksform zur eigenständigen Kultur ermöglichte.

b) HipHop ist eine »Street-Culture«. Einerseits wurden die Clubs der Siebziger von Disco und Soul dominiert, andererseits waren die Anhänger des HipHop als Konsumenten in Clubs finanziell nicht in der Lage eine attraktive Klientel für Clubbetreiber abzugeben. HipHop- Partys fanden in Turnhallen oder in Parks statt. Die legendären »Blockpartys«, wo sich DJs mit eigenen Soundsystemen in technischer Versiertheit und Lautstärke zu überbieten versuchten, sind die spektakulären Ausformungen dieser »Street-Culture«.

c) HipHop ist eine »Black-Culture«. HipHop der Siebzigern wurde von African-Americans und Latinos geprägt. Besonders Rap-Music basiert auf traditionellen afro-amerikanischen Ausdrucksformen wie dem Jive-Talk. Nachdem in den Sechzigern noch charismatische Vordenker wie Martin Luther King, Malcolm X oder Eldrige Cleaver (Black Panther Party) die Bewegung der Black Community anführten, gab es danach keine echten Leader mehr. Die neuen »Role-Models« wurden junge Rap-Acts, die es fertigbrachten , das Ghetto ihrer Community zum »identitätsstiftenden« Sprechen zu bringen. Rap-Acts machten das Ghetto sichtbar, indem sie in den Achtzigern Millionen Platten sowohl an alle Schichten der Black Community als auch an weiße amerikanische und europäische Kids verkauften.

In den 90ern, spätestens mit den L.A.- Riots von South-Central, wurde eine Neudefinition des Begriffes »Community« als ethnisch heterogene Zwangsgemeinschaft von Marginalisierten notwendig. Die HipHop-Community war mit dieser Entwicklung mehr als überfordert. Nicht mehr der Gemeinschaftsgedanke der Community stand im Vordergrund, sondern eine Gangsta-Attitude, die gegenseitige Rivalitäten innerhalb der Ghettos thematisierte, wurde als HipHop rezipiert.

Der Begriff Community ist auch im europäischen, speziell im deutschsprachigen HipHop wichtig. Hier definiert sich die Community in erster Linie durch die musikalische Abgrenzung gegenüber anderen Musikströmungen. Darüber hinaus wird aber, abseits vom kommerziellen Erfolg deutscher Rap-Musik, der Versuch unternommen eigenständige Charakteristika der HipHop-Kultur zu entwickeln. Je weniger dabei Vorbilder aus dem US-HipHop nachgeahmt, je stärker lokale Eigenheiten und lokale Themen aufgenommen werden, desto glaubwürdiger kann HipHop werden, besonders in Frankreich kann hier auf eine sehr eigenständige Entwicklung des HipHop seit 1989 verwiesen werden.

Um aber dem Begriff HipHop-Community gerecht zu werden, müssen nicht nur eigenständige künstlerische Weiterentwicklungen erfolgen. Es bedarf auch des nötigen Umfeldes um über den Status einer bloßen Musikrichtung hinauszukommen. Besonders wichtig sind lokale Kommunikationszentren, wie Plattenläden, Clubs, aber auch Veranstalter, die lokalen HipHop-Acts die Möglichkeit geben, in die Öffentlichkeit zu gehen.