november 1999

Didi Neidhart
titel

»Leg dein Ohr auf die Schienen der Geschichte!« (Freundeskreis)

Ein HipHop-Schwerpunkt im »kunstfehler« kann auf viele Arten zustande kommen. Da wäre einmal der neue Künstlerische Koordinator der ARGE Kulturgelände Nonntal, Charlie Zechenter, der verstärkt HipHop-Acts in Salzburg präsentieren will. Das wäre die hausgebackene Version. Aber eigentlich stellt dies nur einen äußerst glücklichen Zufall für die Verwirklichung einer Idee dar, die schon seit dem heurigen Frühjahr in einigen Redaktions-Köpfen herumgeisterte. Die Konzentration auf die Salzburger Szene ist dabei halb bewusst, halb aus technischen Gründen (e-mail-Leitungen stürzen manchmal leichter ab als herkömmliche Brieftauben) passiert. Zum einen sind die österreichischen »HipHop-Hochburgen« Linz (Texta), Innsbruck (Total Chaos) und Wien (Schönheitsfehler) schwer mit dem gerade erwachenden »Dornröschen« Salzburg zu vergleichen. Andererseits war es uns wichtig mit Leuten aus Salzburg zu reden, um zu zeigen, dass fehlende infrastrukturelle Möglichkeiten nicht mit einem fehlenden bzw. »unterentwickelten« Bewusstsein über die Sache an sich gleichzusetzen sind. Natürlich konnten nicht alle Fragen angeschnitten und Widersprüchlichkeiten gelöst werden (etwa die Position von Frauen im HipHop). Auch wäre dies ein Unternehmen, für das eine Ausgabe des »kunstfehlers« bei weitem nicht ausreichen würde.

Wurde HipHop in den Achtzigern noch als »CNN der Schwarzen« (Chuck D./Public Enemy) bezeichnet, so ist daraus mittlerweile ein globales Netzwerk minoritärer Vielstimmigkeiten geworden, das HipHop auch als wahrscheinlich einzige wirklich funktionierende »politische Musik« innerhalb der popular culture des 20. Jahrhunderts erscheinen lässt. Gerade weil US-HipHop im Prinzip nicht für eine weiße Käuferschicht gemacht wurde, sich sogar militant gegen sie und was sie symbolisiert, auflehnt, eröffnete er dadurch weissen HörerInnen Diskursfelder und Einsichten in Problematiken, Paradoxien, Fragestellungen und Widersprüchlichkeiten, die afro-amerikanische Musikformen wie Blues, Soul, oder die sogenannte Ethno/Worldmusic zwar nie verhindert, aber auch nie wirklich eingefordert (Free Jazz einmal ausgenommen) haben.

Dass das Bild von HipHop bei uns hauptsächlich durch MTV und Ö3 geprägt ist, ist uns natürlich klar. Aber Konsalik und Simmel sind ja auch nicht »die deutschsprachige Literatur des 20. Jahrhunderts«.

In diesem Sinne & »Fight The Power!«